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Venezuelas politische, wirtschaftliche und soziale Lage erschwert sich von Tag zu Tag und die Venezolaner sehen noch nicht ein, wie gefährlich es werden kann.
Gestern konnten wir in El nacional über einige der neuesten Umfragewerte von Datanálisis lesen. 1300 Menschen wurden Ende Februar befragt. Der Umfrage zufolge soll die Popularität des venezolanischen Militärführers und Präsidenten um 4% gesunken sein und nun "zwischen 40% und 50% liegen". Das ist immer noch sehr hoch, wenn man in Betracht zieht, dass Chávez schon seit 1999 an der Macht ist.
66% der Bevölkerung denkt, dass es schlecht mit Venezuela geht. Das heisst, dass zumindest 6% bis 16% der Venezolaner denken, dass es mit Venezuela schlecht geht und trotzdem den Caudillo unterstützen.
Ferner sagt die Studie, dass die Anzahl der Menschen, die in den Septemberwahlen für Regierungskandidaten stimmen wollen, genauso gross ist, wie die Anzahl der Menschen, die für Oppositionskandidaten sind.
Der Vorsitzende der Oppositionspartei Primero Justicia, Julio Borges, stellte Ende März einen Plan fürs Land vor, der als Kern die "soziale Marktwirtschaft" hat. Das ist nicht verwunderlich: Primero Justicia wird von der CDU unterstützt. Die soziale Marktwirtschaft ist etwas, was Deutschsprachige sehr gut kennen und womit viele Leute sich anfreunden können. Ich selbst finde viele positive Punkte dabei. Wie viele Venezolaner können aber etwas damit anfangen, wenn
- ihr Bildungsniveau so niedrig ist?
- die meisten Menschen denken, dass Venezuela ein reiches Land ist und dass man nur die Reichtümer anders verteilen muss?
- keine Gruppe weiss, wie viel sie selbst geben müssen, um sozial verantwortlich zu sein?
- Venezuela seit fast 100 Jahren vom Erdöl gelebt hat?
- die meisten Venezolaner von der Opposition kaum erreichbar sind, kein Kabelfernsehen, oder Internetzugang haben und nur, wenn überhaupt Boulevardzeitungen lesen?
- die meisten Oppositionsführer aus Caracas, Maracaibo und Valencia stammen, in diesen Städten bleiben und die Denkweise von 70% der Venezolaner kaum kennen?
- die meisten Venezolaner niemals das Land verlassen haben und kaum wissen, wie schlecht Venezuela nun wirklich abschneidet, was Bildung, Gesundheit und vor allem Kriminalität betrifft?
- die venezolanische Regierung bereit ist, sehr kurzfristige populistische Massnahmen zu treffen, um ihre Chancen für die Wahlen zu erhöhen, auch wenn diese Massnahmen mittelfristig sehr schädlich für die meisten sein werden?
- die ganze Wahlkommission und die Justiz dem Caudillo völlig untertänig sind?
- die Regierung alle Medien beherrscht (im Gegensatz zu was Chavez-Fans im Ausland sagen) und die ganze Zeit Propaganda gegen die Opposition führt?
Die Spannung wird weiter zunehmen. Die Opposition hat noch nicht gelernt, wie sie neue Gruppen erreicht. Die Regierung wird immer mehr Repression verwenden. Die Opposition, die Vereinigten Staaten, die Marsmännchen, alle anderen werden als Sündenbock benutzt werden. Die Regierung, die kaum Resourcen verwalten kann und trotz Petrodollars immer wieder in finanziellen Schwierigkeiten kommt, wird einfach mehr und mehr enteignen. Die Oppositionsführer werden über Privateigentum sprechen. Damit werden sie aber kaum andere Menschen erreichen, als die, die schon überzeugt sind: die anderen haben sehr wenig zu verlieren, ausser Zukunftsperspektiven, sie sie nicht für möglich halten. Die Opposition braucht andere Themen, die alle Menschen ansprechen, so dass sie sich alle vereinigen, um nicht mehr gegen die Wand zu laufen.