Ein Tag wie heute vor zwantig Jahren

Vor 20 Jahren hat eine Gruppe Militärs einen Putsch in Venezuela versucht. Ich war damals ein junger Student und ich wohnte in einer heruntergekommenen WG in der Nähe eines ihres Zieles, in San Bernardino. Ich hatte einige Monate davor mit einem guten Freund über die Gefahr eines solchen Putsches diskutiert. Wir beide befürchteten, dass ein Putsch bald kommen würde. Wir beide wussten, wie Venezuela, das vom Erdöl so abhängige Land, unter den damaligen Bedingungen reagieren würde und wie die Militärs ihre Chance daran sehen würden. 

Es war keine Überraschung für mich und dennoch war es sehr schmerzhaft zu sehen, was das alles  mit sich brachte: die Gewalt, die Tote, die Verunsicherung. Einige Monate später haben andere Chávez-Kumpel einen zweiten Putschversuch verübt, mit mehr Toten. Weil das Volk nicht mitmachen wollte, wollten sie das Volk angreifen. Noch heute könnten wir in Youtube sehen, wie einer der Militärs, Arne Chacón, im Fernsehen anderen Militärs sagte, man müsse den Aufstand gegen die Korruption unterstützen. Dieser Arne Chacón, deren Bruder noch ein leitender Chávez-Leiter ist, wurde von 1999 bis 2009 Milliardär. 

Wie Gandi sagte: Gewalt kann nur mehr Gewalt provozieren. 

Und heute sind diese Militärs an der Macht. Sie wurden demokratisch gewählt, wie viele andere Autokraten vor ihnen. Sie haben mehrfach Wahlen gewonnen, was bestimmte "linksgerichte" Europäer anscheinend als Beweis für absolute Demokratie sehen. Ein deutscher Historiker, Michael Zeuske, selbst Sohn eines marxistischen DDR-Historikers, schrieb im Jahr 2006 in einem Buch, Venezuela sei das "freieste Land" der Welt. Er hat bis dato die Gewalt des Chavismus und die Korruption immer relativiert, wie so viele anderen, die einfach nur sehen wollen, was in ihren Köpfen steht.

In Wirklichkeit sind diese Militärs keine Demokraten. Sie waren es nie und sie haben nur die  Mechanismen benutzt, die eine kaum entwickelte Demokratie ihnen darbot. Die Deutschen, die von der Weimarer Republik wissen, kennen dies verstehen.

Und jetzt sind Venezuelas Richter völlig dem Hugo Chávez unterordnet. Der Wahlrat ist im wesentlichen von Chávez-Anhängern dominiert. Es gibt einige Sendungen, die "frei" alles mögliche über Chávez sagen können, sie können aber nur eine Minderheit erreichen - nicht die Leute in Guacara oder Punto Fijo, Maturín oder El Tocuyo, die keine Internetverbindung oder Kabel haben. Kaum jemand ausserhalb der drei wichtigsten Städte liest El Universal oder El Nacional, genauso wie wenig Leute in Russland Novaja Gazeta lesen.

Das Erdölgeld, das laut Verfassung unter sehr klaren Bedindungen zu den Regionalverwaltungen geschickt werden muss, wird zum grossen Teil umgeleitet, so dass Chávez höchstpersönlich Almosen verteilt, seine Leute billige chinesische Kühlschränke verkaufen - es gibt eine sehr strenge Währungskontrolle- und die Militärs den Rest benutzt. Die Lokalregierungen, die von der Opposition verwaltet werden, haben kaum Geld. 

Venezuela hat dank Hugo Chávez im Jahr 2011 mehr Geld für die Waffeneinfuhr ausgegeben als jedes andere lateinamerikanische Land, einschliesslich Mexiko und Brasilien. Venezuela ist für Russland im Moment ein viel wichtiger Partner als Syrien. Wir werden uns nicht wundern, wenn Russland die Chávez-Regierung bis zum Ende verteidigen wird.

Und heute feiern die Militärs ihren blutigen Putschversuch. 

Chávez ist immer noch populär mit einem Teil der Bevölkerung. Das geschieht aber, während der Erdölpreis fast zehnmal höher liegt, als zu den Zeiten vor Chávez Amtsantritt. Die Militärs haben zur Zeit viel mehr Geld als Carlos Andrés Pérez in den Siebziger Jahren. Und das ist nur Dank Nachfrage, denn Venezuela kann zur Zeit nicht mal entscheiden, mehr Erdöl zu produzieren, so schlecht geht es mit dem Staatserdölgesellschaft, PDVSA.


Heute gibt die jetzige Militärregierung Venezuelas  jede Menge Geld aus, um ihren blutigen Putschversuch gegen eine demokratische Regierung zu feiern. Die Regierung, gegen die Chávez reagierte, war korrupt und für Menschenrechtsverletzungen verantwortlich. Die jetztige Regierung ist aber umso korrupter und die Militärs, die an der Macht sind, sind dieselben, die schon damals die Menschenrechtsverletzungen verübt haben. Als Beispiel gelten Róger Cordero Lara, Abgeordneter der Chávez-Partei, und Rodríguez Chacín, ehemaliger Chávez-Minister und immer noch eine leitende Figur. Beide nahmen an Massakern der "Cuarta República" teil...genauso wie viele Militärs, die sich als Revoluzer porträtieren. 

Die Regierung will die Putschversuche als eine "bürgerlich-militäre" Aktion verkaufen. Von Bürgern hatten diese Verbrechen nichts zu tun. Diejenigen, die daran beteiligt waren, waren Militärs und linksextreme Guerrilleros. Das Volk sah nur mit Angst zu. Sie wollten Carlos Andrés Pérez nicht. Sie wollten aber keine Militärs.

Paradoxerweise feiern jetzt ehemalige Guerrilleros und ihre Verfolger zusammen, dass sie "die Oligarchie" besiegt haben...und die Oligarchie sind die anderen, alle anderen. Macht schweißt zusammen.

Wie lange werden sie aber an der Macht bleiben können, wenn der Erdölpreis nicht schnell genug weiter steigt? Das werden wir in den nächsten zwei Jahren sehen.